Nach dem HanseGravel im Frühjahr wollte ich das Bikepacking-Jahr gebührend abschließen, sodass ich mich frühzeitig bei dem neu ausgerufenen HolyGravel anmeldete. Bei diesem privat organisierten Event bestand die Auswahl zwischen einer 555 kilometer oder einer 696 kilometer-Runde durch halb Schleswig-Holstein. Mein Ehrgeiz plädierte dann für die lange Runde, die eine Umrundung von Fehmarn vorsah.
Im Vorfeld besorgte ich mir dann noch eine etwas voluminösere Rahmentasche, sodass mein Lenker weniger Geraffel zu tragen hatte. Hätte mal lieber in vernünftigeres Licht investieren sollen. Dazu aber dann bei Tag 2…
Start war am 31. Oktober 2019 um 7.30 Uhr am Ponton-Café Entenwerder1 in Hamburg – dort startete auch der HanseGravel! Für die Anreise benutzte ich dann dekadent die S-Bahn (wurde sogar kontrolliert). Die lieben Organisatoren schenkten einen kleinen Schnaps aus und sprachen 2-3 wärmende Worte zu uns. Dann ging es auf die Strecke.
Ohne Begleitung rollte ich auf den Ausschläger Deich und Richtung Osten. Hinter dem Gefängnis sprach mich dann eine Radlerin an, die Norwegen-Überschuhe trug: „Ist das schön hier“. Und wie! Minus 4 Grad, die Sonne geht auf, alles ist in Nebel gehüllt – was für eine tolle Stimmung. Ich konnte nicht an mich halten und musste ihr unter die Nase reiben, dass dies meine tägliche Pendelstrecke sei…
Weiter ging es mit hohem Tempo durch Bergedorf. In Reinbek nutzte ich dann ein Pinkelpause um endlich abreißen zu lassen – das Tempo war viel zu hoch für mich. Allein rollte ich durch Aumühle und ab da kannte ich die Umgebung nicht mehr wirklich. Irgendwo durch den Sachsenwald ging es an sehr schönen Seen irgendwie nach Mölln. In der Zwischenzeit hatte ich mich an dem Hinterrad der Gravelerin mit den Norwegenschuhen geklemmt. „Weißt du wie der See hier hieß?“ – „Nein, ich auch nicht“ – „aber super schön hier“. (Anm. d. Redaktion: Drüsener und Lüttauer See)
Nach fast 100 Kilometern erreichten wir Ratzeburg. Bei herrlichstem Sonnenschein gab es eine erste Pause. In meinen Gedanken feierte ich mich für meine Vorraussicht beim morgendlichen Warten auf die S-Bahn Laugengebäck-Verpflegung eingekauft zu haben. Hier am Küchensee gesellte sich ein junger und sehr holyresker Graveller zu uns, der soeben seinen ersten Platten hatte. Schickes, sportliches Trek-Bike und fröhliche Ausstrahlung!
Nach einem Blick auf den Tracker wurde uns klar, dass wir ziemlich weit vorne im Feld waren. Bei dem Tempo das die NorwegenÜberschuhDame anschlug aber auch kein Wunder. Jetzt nach vielen gemeinsamen Kilometern stellten sie sich vor: „Hey, ich bin Britta – wie heißt du?“ Über ihr Radel-Leben wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon weitaus mehr – Namen? Nicht so wichtig.
Beim Verlassen von Ratzeburg stand auf einmal Harald vor uns, der den soeben gestürzten Benny ausgesammelt hatte (Gute Besserung an dieser Stelle). Ganz Harald hatte er sein Ding gemacht und hier und da vielleicht den ein oder anderen See ausgelassen – der Fux <3
Am Ratzeburger See entlang – erkannte ich meinen liebsten Papa, der meinen Dot verfolgt hatte und mir entgegen gefahren war. Was für eine coole Aktion – insgeheim war ich auch etwas froh mein Duo ziehen lassen zu können – das Tempo war wirklich fix. Nach ein paar schönen Vater-Sohn-Kilometern ließ er mich wieder ziehen – er spürte wohl, dass ich gerade auf meiner eigenen Welle pedalierte. So holte ich das Duo kurz vor Lübeck wieder ein – der schnelle Junge hatte seinen zweiten Platten…
Nach einer kurzen Pause in Lübeck (natürlich in einer Tanke. Hatte ich meinen bestellten Kaffee einfach nur nicht bekommen oder gar nicht bestellt? Beim Losrollen war ich mir da gar nicht mehr sicher – naja – egal) ging es in endlosen Schleifen, hoch und runter, Richtung Norden. Zwischenzeitlich wurde es ganze 10 Grad warm und man konnte mal eine Schicht ablegen. Doch um 17 Uhr ging die Sonne schon unter – noch schnell ein schönes Foto am Pönitzer See und weiter ging es. Abendbrot gab es im McDonalds in Neustadt i.H. – ein Spot, den viele angefahren haben: Strom, Wärme und Essen. Macht es nicht gaaanz so schlimm konsum- und fleischkritische Stimmen in meinem Kopf verstummen zu lassen.
Hier trennten sich dann die Wege von Britta – sie plante die kurze aber wohl landschaftlich schönere Runde. Sehr schade – sie war mir mit ihrer fröhlichen Art ans Herz gewachsen.
Dennoch ging es jetzt zu Dritt am Wasser weiter. Inzwischen hatte ich Britta gefragt wie der schnelle Graveler heißt: „Josh“. Und Olaf schloss sich uns an – Ein Braunschweiger, der an der Uni arbeitet, wo ich studiert habe – Road Magic!
Die Ostsee begrüßte uns mit unheimlich warmen Temperaturen. Das Thermometer kletterte auf 5 Grad und lies unsere Stimmung ins euphorische gleiten. Wir rauschten über mit viel Geld gestaltete Promenaden und über leere Küstenpfade – was für ein Spaß! Nur ein riesiger Acker ließ uns fast verzweifeln (Hätten wir mal umfahren sollen).
Nach 225 Kilometern erreichten wir dann DAS Tagesziel von Josh kurz vor Ladenschluss: Die Aral-Tankstelle in Großenbrode. Der Tankwart zwitscherte uns fröhlich über seine Fahrräder zu, wir hörten kaum zu, genossen nur die Wärme und das Essen. Vorrausschauend kauften wir auch schon was für das Frühstück ein – nach meinen Recherchen würden wir auf der Insel nichts Essbares kaufen können.
In kompletter Dunkelheit unter einem tollen Sternenhimmel rollten wir über den Kleiderbügel auf die Insel. Dort hatten wir uns mit einem vierten Bikepacker auf einem eingemotteten Campingplatz verabredet. Nach 240 Kilometern legten wir uns windgeschützt in den Hauseingang des Sanitärhauses. Die Nacht war mit 7 Grad warm aber mein Schlaf nur so mittelgut – das lag nicht unbedingt an den Radlern, die nachts um 2 Uhr an uns vorbeikamen – sondern vielmehr an den müdegeradelten Beinen und an der ungewohnten Schlafsituation… Macht man dann doch nicht jeden Tag. Gefühlt schaute ich alle zwei Stunden auf die Uhr – noch nicht 6 Uhr.
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