Parallel Challenge

Die aktuellen Pandemiemaßnahmen haben mir die Freude am Radfahren zunächst richtig vermießt. Erst die Absage einer geplanten Bikepacking-Tour im Elbsandsteingebirge, kein Vereinstraining mehr und dann der Ausfall eines geplanten Langstrecken Abenteuers („Wir fordern gerne mal den Teufel heraus“) – all das brachte die Motivation ziemlich zum Erliegen. Warum aufs Rad steigen, wenn ein zünftiges „Legnern“ aufgrund von geschlossenen Cafés und Bäckern nicht möglich ist – alles sinnlos! Die erste längere Tour ging dann zum Nord-Ostsee-Kanal – mit sehr vollen Radtaschen (Riegel, Riegel, Schoki).

Danach ein vorsichtiges Herantasten mit Begleitung. Tracy und ich haben uns mit dem Zelt herausgewagt. Bis auf viel Papierkram beim Campingplatz – keine größeren Einschränkungen.

Dann berichtete mir Harald (Erfinder des gleichnachnamigen Legnerns) von der Apidura Challenge „Parallel in 24 Stunden“. Er und Gesine planten fast 500 Kilometer am Stück zu fahren. Das nahm ich zum Anlass selber ins Grübeln zu kommen. Wo könnte man hinfahren? In circa 24 Stunden? Was ist ca 250 Kilometer von Hamburg entfernt? Dänemark ging ja leider noch nicht. Ziemlich schnell stellte sich da der Harz zur Verfügung: einfach einmal um die Granetalsperre (Goslar).

Um den Plan zu festigen, fragte ich Rike ob sie mich ab Braunschweig einmal in den Harz und zurück begleiten würde. Sie radelt quasi erst seit diesem Frühjahr mit dem Rennrad. Erst kam ein freudiges „Ja“. Kurz darauf dann die Anfrage: „Wäre es OK, wenn ich dann mit nach Hamburg komme? Habe dort am Montag einen Termin.“ Sehr gerne plante ich die Route so durch meine Studienstadt, dass ich sie direkt an ihrem Arbeitsplatz – einem sehr fahrradfreundlichen Café – abholen konnte.

Die Planung war nun recht unspektakulär. Immer mal wieder versuchte ich bei Harald und Gesine ein paar Profi-Tips anzugreifen. Meine Startzeit richtete sich mit 9 Uhr an Rikes Feierabend, eine Regenjacke packte ich ein, Sonnencreme nicht…, und Riegel + zwei Bananen sollten mit auf Reisen gehen.

Ganz kurz vorher fragte ich dann spontan den guten Josh (siehe Holy-Gravel Bericht), ob er nicht Lust hätte mich von Göttingen aus im Harz abzupassen. Hatte er!

So ging es am Samstag um 8.40 Uhr los. Somit etwas früher als geplant. Aber die Aufregung war einfach zu groß. Entspanntes Rollen über die Reeperbahn, dann über die Norderelbe, durch Wilhelmsburg und dann Süderelbe. Alles sehr bekanntes Terrain. Irgendwann ging der Track rechts weg von der Elbe und es ging hinein ins Niederachsen.

Die ersten 100 Kilometer vergingen über ruhige Straßen wie im Fluge. In Unterlüß wurden fleißig Rasenkanten getrimmt und bei der ortsansässigen Tankstelle holte ich mir einen Riegel und ein Kaltgetränk. Am Nachmittag wurde es heißer und heißer. Es wird sich heraustellen, dass ich mit mehr hätte eincremen sollen…
Sonnenstrahlen und Rückenwind drückten mich nur so nach Braunschweig.

Dort war ich dann nach nur 7,5 Stunden. Viel viel schnaller als ich geplant hatte. So hatte ich noch genügend Zeit für einen Klönschnack mit Kumpel Till und die Gastfreundschaft der Kaffee Fabrik zu genießen. Besitzer Michael ist ein großer Fahrradfreund, sodass ich mit Wasser, Filterkaffee und veganem Dürum versorgt wurde. Nach sehr angenehmen 120 Minuten brach ich mit Rike auf. Zunächst hatten wir noch etwa smit Autos zu kämpfen, aber umso weiter wir nach Süden fuhren wurde auch das entspannter.

Treffpunkt mit Josh war DIE Aral-Tankstelle in Goslar. Wir kommen an, kaufen ein paar Dinge ein. Ich schreibe ihm: „Wir sind da“. Er antwortet „Ich bin auch da“ …. Er: „es gibt hier 3 Aral-Tankstellen in Goslar“. Also ein neuer Treffpunkt. Nach herzlicher aber distanzierten Begrüßung geht es in den Harz.

Schnell merke ich, dass ich etwas zu wenig Kohlenhydrate in den vergangenen Stunden aufgenommen habe. Josh freudiges geplapper kann ich so gar nicht mithalten, zudem machen mir diese „Höhenmeter“ echt zu schaffen. Die beiden Harz-Profis loben mich dafür, dass ich ja nicht die ganz krassen Anstiege eingeplant hätte. Verstehe nicht so ganz wovon sie hier sprechen. Die beiden springen freudig in die Anstiege und rufen mir irgendwas zu. Ein Anwohner schaut mitleidig und meint zu mir: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.“

Der Blick über die Odertalsperre (235km, 13h) lässt meine Laune aber deutlich steigen. Nach 245 Kilometern ist dann der südlichste Punkt der Tour erreicht. Es beginnt zu Dämmern und wir machen Fotos von Bikes, Kaffee und uns. Nun geht es wieder hinab. Erst Gravel, dann Singletrail – Josh ist entzückt – ich angespannt. Aber dann sind wir wieder auf Asphalt und es geht mit Schwung in die Nacht – Max Geschwindigkeit: 66 km/h.

Bei kompletter Dunkelheit erreichen wir die Innerste-Talsperre. Schnell merken wir, dass die Straße dort gesperrt ist. Da hilft auch nicht das übersteigen der 2 von 3 Absperrungen. Also kurzes Umplanen – und schon sind wir wieder raus aus dem Harz.

Ich hatte vorher geschaut wo es auf dem Weg 24h Tankstellen geben würde. Hatte nicht viel gefunden. Jetzt kamen wir an einigen vorbei… Bei einer der Ersten machen wir noch mal rast. Dann ging es ewig durch Salzgitter, dann durch Peine (325 km, 17h). Mit uns unterwegs waren eigentlich nur ein paar Halbstarke auf Rollern oder coolen karren – oder halt Polizeistreifen.

Nun kamen die dunkelsten Stunden. Man sah nichts außer das Vorderrad im Scheinwerferlicht. Sonst war es echt ziemlich dunkel. Erst kurz vor 4 Uhr sah man ein leichter dämmern. Nach einem Halt in einer beleuchtetn Bushaltestelle in Wachliegen (19h, 355km) wurde es merklich hell.

Durch das verschlafene Celle und Bergen – weiter durch Niedersachen. Das sitzen wurde immer beschwehrlicher. Die ersten Gedanken übers Aufhöhren hatte ich schon im Harz – bei den Anstiegen. Nun war es mir nicht wirklich möglich lange im Sattel zu bleiben. Wenn ich vorne im Wind fuhr, versuchte ich mir vorzunehmen mindestens 5 Minuten durchzuhalten, aber Josh und Rike hatten schnell Mitleid und übernahmen wider die Spitze. So ging es weiter bis Bissigen – in der Zwischenzeit ruhten wir uns zweimal aus – legten uns einfach an den Straßenrand und ruhten. Einfach nur liegen!

In Bispingen (22,5h, 425km) entdeckte Rike einen Bäcker. Dort saßen wir in der Sonne und genossen den guten Service sowie das megakrasse Schuko-Croissant! Besonders schön waren die Fragen der Brötchenhoher: „Wo kommt ihr denn her? Wo wollt ihr hin?“ Gar nicht so einfach. „Aus Hamburg“ – „Nach Hamburg“

Mit einem richtigen Zuckerschub ging es nun wieder auf die Straße. Die Stimmung war so richtig gut. Wir jagten nur so in Richtung Norden. Bei einer kleinen Pause (Josh musste seinen Bordcomputer neu starten) legte ich mich auf den Asphalt. Merkte schnell, dass ich quasi auf der Fahrbahn lag. Rollte mich einfach aufs Grün. Nach kurzer Zeit ging auf der anderen Straßenseite ein Fenster auf, ob alles ok sei? Ob man einen Krankenwagen rufen müsse? Wir konnten die Lage auflösen und bedankten uns für die Sorge – wir seien einfach nur total fertig.

Nun nur noch über die Harburger Berge und ich konnte den Weg ohne Navi ansagen. In Harburg (26h, 476km) setzten wir nach kurzer Verabschiedung den Josh in die Bahn zurück nach Göttingen. Eigentlich wollte er ja nur im harz mit uns fahren. Aber Rike und ich waren super froh, dass er sich spontan umentschied. Ohne seine starken Beine wären wir nicht zurück nach Hamburg gekommen!

Zu zweit dann über die schöne Harburger Elbbrücke, durch Wilhelmsburg – Rike meine Pendelstrecke zeigen- und durch den Alten Elbtunnel. Nach dem letzten Anstieg auf den Elbhang stoppte ich meinen Garmin bei 492 Kilometern nach fast 27 verstrichenen Stunden. Nur doch das Rad in den 4. Stock tragen und sofort auf den Dielenboden im Wohnzimmer legen.

Erst nach einigen Minuten liegen und einer Dusche bin ich für das Frühstück mit RIke und Tracy bereit. Den Rest des Tages: Schlafen, Abends ins Restaurant. Dort einen frischen Salat (endlich mal was ohne Zucker) und eine gehaltvolle Pasta.

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